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Rezension von
Lothar Pollähne

 

Einleitung

Wer Werner Holtfort (1920–1992) gekannt hat, weiß, daß Witz, Humor und Ironie eine wesentliche Seite seiner Persönlichkeit ausmachten. Eine Auswahl seiner Satiren, Glossen und Weisheiten zu gesellschafts- und rechtspolitischen Themen wurden in dem vorliegenden Band zusammengestellt. Diese Texte sind im Zeitraum zwischen 1973 und 1990 entstanden. Sie wurden überwiegend in der Rechtsanwaltszeitung „einspruch“ veröffentlicht. Hier, aber nicht nur hier, fand er ein Forum für seinen gelegentlich beißenden Sarkasmus, so, indem er bissige Ratschläge gab, die Muttersprache zu verhunzen. Bezeichnenderweise wurden Holtforts Leserbriefe seinerzeit in einer hannoverschen Tageszeitung unter der Rubrik „Kurioses“ gesammelt. Holtforts Stil in Wort und Schrift zeichnete sich durch Klarheit und Deutlichkeit aus. Holtfort sei immer „der Schönheit der Sprache zugetan“, bescheinigte ihm auch Bertram Börner in „Meriten um den einspruch“. Nicht nur als Rechtsanwalt oder Parlamentarier war er ein Verfechter der geschliffenen und schnörkellosen Sprache. Im Niedersächsischen Landtag sprach er stets frei, gewürzt mit Aphorismen. Diese hat er teilweise auch unter seine hier vorliegenden Glossen gesetzt und mit „Merke…“ begonnen.

Verschleiernde Begrifflichkeiten in Politik und Medien spießte er als „verbale Falschmünzerei“ auf. Dazu gehörte für ihn beispielsweise der Begriff „Nachrüstung“, der die Entwicklung neuartiger und wirksamerer Atomwaffen beinhalte. Holtfort wies darauf hin, daß die deutsche Sprache „immer ungenierter als Mittel der Innenpolitik missbraucht“ werde, wenn aus „Reallohnverlust“ eine „Lohnpause“, aus dem polizeilich abgegebenen gezielten „Todesschuss“ der „finale Rettungsschuss“ und aus „Giftmüll“ „Sondermüll“ würde.

Unvergessen sind seine „Porträts skurriler Advokaten, denen zu begegnen jeder schon einmal das Glück hatte“, oftmals gerichtet an die „liebe(n) Rechtsfreunde“. Hier karikierte Holtfort Anwälte, für die Honoré Daumier die zeichnerische Vorlage geliefert haben könnte.

Beschäftigt hat ihn auch die „Amtstracht“ für Justizjuristen, die er für entbehrlich hielt, da sie für ihn ein Relikt aus dem Obrigkeitsstaat darstellte. Die Anwaltsrobe war für ihn ein „treffliches Beispiel für ein symbolisiertes Gruppenbewußtsein, um Zugehörigkeit und Abgrenzung symbolisch zu fixieren“. Durch die Verschiedenheit des Robenbesatzes gebe es Juristen in Samt (Richter und Staatsanwälte) und solche in Seide (Anwälte). „Der richtige, eigentliche, vollwertige Jurist hat seitdem bis heute in Samt einher zu stolzieren, der Untergeordnete, stets ein wenig mit Schwefeldunst behaftete, hingegen ist durch den Seidenbesatz zu erkennen.“ Nachzulesen in „Der chinesische Zopf“.

Unvergessen auch sein Aufruf „Wer schreibt die Welfenhymne?“ Er empfahl, sie „am Kartoffelfeuer mit gefalteten Händen zu singen“. Gleichermaßen besorgt und spöttisch prangerte er mit spitzer Feder die Durchmischung der deutschen Sprache mit überflüssigen Vokabeln aus dem Englischen oder Amerikanischen an („Pidgin Deutsch – Wie sich unsere Sprache unter amerikanischem Einfluß verändert“).

Seine mit Humor und Ironie gewürzte Handschrift konnte er nur schwer unter seinen Pseudonymen B. Lamm aus Springe oder Rechtsanwalt Dr. Lutz Ive R. Amöneburg aus Winsen/Luhe verbergen, wenn er das Lamm zubeißen und den luziferischen Widerspruchsgeist zu Wort kommen ließ.

Ich wünsche viel Vergnügen beim Lesen und dem Entdecken einer verblüffenden Aktualität.

Sylvia Remé

 

Vorwort von Wolfgang Jüttner

Werner Holtfort war ein bedeutender Anwalt. Er war aber auch ein ungewöhnlich begabter Politiker, nicht nur in seinem engeren Fachgebiet, der Rechtspolitik. Und er wurde bei „Freund und Feind“ geschätzt bzw. gefürchtet, ob seiner persönlichen Integrität, seiner geschliffenen Sprache, seiner schlüssigen Argumentation.

Wir würden seiner Persönlichkeit nicht gerecht, blieben Sachverhalte ungenannt, die Außenstehende an ihm nicht sofort oder nie erleben durften. Ich persönlich war schier sprachlos, als ich ihn 1974 erstmalig besuchte in seinem Keller und mit den Tausenden von Zinnsoldaten konfrontiert wurde, die zur nächsten Schlacht aufmarschiert waren. Und wann hat je in einem Wahlkampf ein Kandidat seine Mitbewerberin, Frau Breuel, mit einem Handkuss begrüßt und das auch noch in der alten Arbeiterhochburg Hannover-Linden? Und nicht alle wussten, daß Werner Holtfort seine hohe Ernsthaftigkeit mit einem ebenso hohen Maß an Witz, Humor und Ironie anzureichern verstand.

Dieser Teil der Persönlichkeit von Werner Holtfort kann nun nicht mehr in Vergessenheit geraten, denn Sylvia Remé hat mit dem vorliegenden Band eine Auswahl seiner Satiren und Glossen zu gesellschaftspolitischen Themen zusammengetragen, die zumeist der Rechtsanwaltszeitung „einspruch“ entnommen sind, die Holtfort gemeinsam mit Dr. Wilhelm Helms und Bertram Börner gründete.

Waren es im Parlament eher die Anekdoten, so kam hier – teilweise unter Pseudonym – sein bissiger Humor zu Tage. Es konnte ihn zur Weißglut bringen, wenn aus dem „Todesschuss“ der „finale Rettungsschuss“ wurde, und „Giftmüll“ parlamentarisch in „Sondermüll“ umgewandelt wurde. Und er wollte seinen Unmut schon gar nicht für sich behalten.

Ich hatte das Vergnügen, vier Jahre neben ihm Parlamentsalltag verbringen und 1990 – nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament – seinen Wahlkreis Hannover-Linden übernehmen zu dürfen.

Es war immer anregend, seinen Reden zuzuhören und mit ihm zu streiten.

Wolfgang Jüttner
Mitglied des Niedersächsischen Landtages
Minister a.D.

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Das Buch "Gesammelte Werke vom bissigen Lamm" ist im JMB Verlag erschienen, Hannover,
www. jmb-verlag.de, e-Mail: info@jmb-verlag.de zu beziehen beim Verlag oder über den Buchhandel.